Beruf: Der Spion

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Niemand wusste viel über Frix. Es wirkte nicht so, als hätte er eine Familie, einen Beruf oder irgendetwas anderes, was normale Menschen so haben. Frix war nicht der Dorftrottel, hätte aber sehr leicht als einer durchgehen können. Er war ein kleiner, stämmiger Mann, dessen Alter zu erraten, aufgrund seines Erscheinungsbildes, schwer war: Er war stets schmutzig und trug schlecht geflickte Klamotten, die kaum zusammenpassten, außerdem stank er bestialisch (um nicht zu viel zu sagen). Er musste sich bereits jede Krankheit, egal ob bekannt oder unbekannt, eingefangen haben und trug auch noch Narben und Flecken von den meisten auf seiner Haut. Frix einen unattraktiven Mann zu nennen, wäre noch ein Kompliment. Und dass er noch am Leben war, war das Wunder des Jahrhunderts.

 

Frix‘ Bewegungen waren sehr irritierend. Viele behaupteten, dass das an seinen vielen Krankheiten und Verletzungen lag. Auch konnten sich nur wenige an den Klang seiner Stimme erinnern, da er schon vor langer Zeit aufgehört hatte zu sprechen, wobei er auch davor nie ein Mann großer Worte war. Die wenigen, die ihn damals kannten, meinten, dass er zwar immer „da“ war, durch die Straßen spazierte und mit sich selbst sprach (oder eher murmelte), aber nie wirklich jemanden damit gestört hatte. Er wurde nie dabei erwischt, etwas gestohlen oder jemanden angegriffen zu haben. Die meisten Bewohner dachten einfach, dass Frix sich von Ratten ernährte, was sein Verhalten erklären würde. Sie waren meist einfach nur froh, wenn sie nicht zu viel über ihn nachdenken mussten, außer vielleicht über den Umstand, dass er noch am Leben war.

 

Jeder der Frix an diesem bestimmten Tag verfolgt hätte, wäre von seinen Aktivitäten und Aufenthaltsorten erstaunt gewesen. Der Mann wartete geduldig außerhalb einer Lagerhalle im Hafenteil der Stadt und versuchte, die Überbleibsel eines Gegenstandes, der sein Schuh gewesen sein konnte, mit einem Stück Holz zu reparieren, welches er gefunden hatte, bis jemand die Tür öffnete. Doch anstatt wegzugehen, ging Frix ruhig hinein, als hätte er dies erwartet.

 

„Also gut, Frix… lass uns das schnell hinter uns bringen. (…) Wenn ich näher darüber nachdenke, bleib bitte bei der Tür stehen! Oh! Mein Gott! Der Gestank ist unerträglich!”, ertönte eine Stimme.

 

Normalerweise, wäre jeder beleidigt, wenn so mit ihm gesprochen würde, ganz egal ob es der Wahrheit entspricht, doch Frix war es gewohnt von oben herab behandelt zu werden. Er hörte schon gar nicht mehr zu. Leise zog er seinen frisch reparierten „Schuh“ über seinen rechten Fuß und zog dann den linken Schuh aus. Darin befand sich ein feuchtes Stück Papier.

 

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Frix zeigte es dem Mann, der etwas weiter hinten im Schatten wartete. Der Mann, der sich offensichtlich von Frix abgestoßen fühlte, befahl seinem persönlichen Sekretär per Handbewegung, das Papier für ihn zu holen. Der Mitarbeiter zögerte einen Moment – es gab Gerüchte, dass die Pest dieses Jahr zurückkehren würde, und wenn irgendjemand irgendwo diese Krankheit hatte, dann wohl diese jämmerliche Gestalt. Doch ein ungeduldiges Knurren des Mannes im Schatten brachte den Sekretär dazu, vorzutreten.

 

Als er den Sekretär auf sich zukommen sah, hielt Frix ihm seine andere Hand hin – offensichtlich verlangte er zuerst Geld. Der Sekretär griff in seine Geldbörse und warf ein wenig Kleingeld auf den Boden. Scheinbar hatte er Probleme mit dem von Frix ausgehenden Gestank. Nachdem dieser die Münzen auf dem Boden gesehen hatte, übergab er dem Sekretär das Stück Papier, welcher es mit großer Zurückhaltung annahm und leise betete, dass er sich keinen Aussatz oder gar den Schwarzen Tod einfangen würde.

 

Hastig hob Frix die Münzen vom Boden auf und verließ die Lagerhalle, während der Edelmann und der Sekretär sich noch die Nase zuhielten.

„Warum in Gottes Namen müssen wir uns mit so einem dreckigen Mann abgeben, mein Herr? Was für einen Nutzen bringt er uns? Ich verstehe es nicht.“

„Weil niemand jemals auf die Idee kommen würde, diesen Mann mit mir in Verbindung zu bringen! Genauso, wie niemand jemals herausfinden wird, dass ich die Beweise dafür habe, dass Haig Grossmann den Bürgermeister bestochen hat. Grossman ist so gut wie ruiniert.

„Ich bin noch immer nicht davon überzeugt, dass das mit Frix eine sichere Sache ist. Er weiß zu viel, und über zu viele Leute. Bestimmt macht er solche Dinge auch schon für andere. Wer kann versichern, dass er sich nicht gegen Euch wendet, nachdem Ihr Grossmann aus dem Weg geräumt habt? Natürlich wird er wissen, dass Ihr dahinter steckt.

 

Der Edelmann brauchte einige Sekunden, um über das Ganze nachzudenken. Normalerweise mochte er es nicht, hinterfragt zu werden und unter normalen Umständen, würde er diesen Handlanger jetzt in seine Schranken weisen. Doch der Edelmann versuchte sich einen Überblick über die Gesamtsituation zu machen: In letzter Zeit griff er mehr und mehr zu unseriöse Maßnahmen, um schnell an Macht zu gewinnen. Seine Rücksichtslosigkeit brachte ihn an die Schwelle seines Triumphs, doch gefährdete ihn auch mehr als jemals bevor. Und dieser klägliche Sekretär wusste über all dies Bescheid. Nein, es war also nicht Frix, über den sich der Edelmann Sorgen machte. Frix war keine Gefahr für ihn… Er würde auf keinen Fall ein Wort darüber verlieren. Und auch wenn, wer würde ihm schon glauben? Der Sekretär auf der anderen Seite… Er hatte sowieso schon den Ruf, ein außergewöhnlich ehrgeiziger junger Mann zu sein. Würde er für den richtigen Preis auch singen? Den Edelmann störten die fehlenden Antworten zu seiner eigenen Fragen.

 

„Ich denke, du hast Recht“, sagt der Edelmann nach einer Weile. Das Frix-Problem gehört dauerhaft beseitigt. Bitte, beeile dich und kümmere dich für mich darum. Ihn wird sowieso niemand vermissen.“

 

Der Sekretär verbeugte sich schnell zustimmend, lächelte dezent und stürmte hinaus. Der Edelmann schlug somit zwei Fliegen mit einer Klatsche – der Sekretär würde auf jeden Fall dabei erwischt werden, einen Unschuldigen zu töten. Dann wäre es nur noch ein minimaler Aufwand, einen “Unfall” im Gefängnis zu veranlassen. Ein Unfall kann so schnell passieren, nicht wahr? Und einfach so würde eine gefährdende Situation zur Zufriedenheit des Edelmannes gelöst werden.

 

Frix wieder zu finden war ein Kinderspiel für den Sekretär. Frix konnte nicht besonders schnell gehen, das war klar, aber man konnte seinen Aufenthaltsort auch allein wegen seines Geruchs schnell ausmachen. Der Geruch führte also zum Fenster der Bäckerei, wo Frix mit großem Appetit Leckereien bestaunte, obwohl dieser genau wusste, dass der Bäcker ihn niemals in seinen Laden ließe. Nonchalant näherte sich der Sekretär, der bereits davon träumte, was er mit dem zusätzlichen Geld machen würde, das der Meister ihm dafür geben würde, einen potentiellen peinlichen Zeugen loszuwerden. Gedankenverloren bemerkte er gar nicht, dass Frix viel aufmerksamer war, als er vorgab. Noch bevor der Sekretär Zeit hatte sein Messer zu zücken, holte Frix sein eigenes Messer hervor und stach blitzschnell zu.

 

Frix ließ das Messer im Körper des Sekretärs und starrte lange in dessen Gesicht… Und während der Sekretär noch verzweifelt nach Luft rang, verstand er erst, dass dieser stinkende Mann aus der Gosse alle hinters Licht führte. Frix war die ganze Zeit über nur eine Fassade. Der Geruch, die Klamotten, das Auftreten – es war alles ein e Verkleidung. Er hatte alle in der Stadt getäuscht – jahrelang!

“Das Gift wird dich nicht sofort töten“, sagte Frix mit einer kalten, doch sicheren Stimme. „Doch du wirst leiden. Bitterlich leiden.”

“Wer bist du?”, fragte der Sekretär, während ihm sein Messer aus der Hand auf den Boden der dunklen Gasse fiel. Die Stimme, die er soeben gehört hatte, war klar und mit einem fremden Akzent, den er zuvor noch nie gehört hatte.

„Das musst du nicht wissen. Diese Information würde dir nicht von Nutzen sein. Ich will, dass du deinem Meister Bericht erstattest, bevor du stirbst. Sag ihm, dass er so etwas nicht nochmal versuchen soll. Nie wieder. Ich weiß viel mehr über ihn, als er denkt und ich weiß genau, wie ich ihm und den Leuten, von denen er abhängig ist, schaden kann.“

Direkt danach wurde Frix wieder zu dem armseligen Haufen von Mann, unter dem man ihn schon so viele Jahre kannte und entfernte sich langsam aus diesem Teil der Stadt.

 

Komplett unter Schock stehend, versuchte der Sekretär Frix davon abzuhalten, zu verschwinden. Er versuchte um Hilfe zu schreien, aber seine Stimme versagte ihm den Dienst. Sein Körper war halb betäubt und aus seinem Mundwinkel lief Sabber. Er versuchte aufzustehen, doch fiel wieder auf die Knie, völlig hilflos…

 

Und in seinem Kopf wiederholte eine ferne Stimme immer wieder die Worte: „Es war alles nur Fassade“.