Beruf: Der Schmied

Achim war unheimlich aufgeregt. Es war ein großartiger, wundervoller Tag, gelinde gesagt; der Beginn einer wahrscheinlich sagenhaften Reise. Als er das Haus seiner Eltern verließ, um die Schmiede der Stadt aufzusuchen, wäre er am liebsten in die Luft gesprungen. Achims Vater musste einiges leisten, damit Meister Giltbert einverstanden war, ihn unter seine Fittiche zu nehmen. Die beiden waren seit ihrer Kindheit befreundet – zum Glück für Achim, der, mit fast 15 Jahren, endlich über seine Zukunft nachdenken musste. Der junge Mann wollte ein Schmied werden. Eine Lehre war der perfekte Weg zum Lernen, besonders mit der Hilfe des besten Schmieds der Stadt.

 

Von Meister Giltbert zu lernen, wäre eine unbezahlbare Erfahrung. Es wäre perfekt. Achim sah bereits vor sich, wie viel er sich aneignen könnte, den ganzen Tag würde er jeder Bewegung seines Mentors, wie er mit Eisen und Stahl arbeitet, zuschauen. Schmieden, schweißen, erhitzen, gestalten, bis es die richtige Form hat und zum Schluss mit einer persönlichen Note versehen. Mit seinen Händen zu arbeiten, etwas unheimlich Schönes, wie ein Schild oder ein Langschwert, zu erschaffen, war schon seit langer Zeit Achims Traum. Und so, begierig, seinen Traum zur Realität werden zu lassen, machte er sich in Richtung Schmiede auf den Weg. Es war ein schöner sonniger Tag, perfekt für seine ersten Schritte im neuen Beruf, und nichts konnte falsch laufen.

 

Als er an der Schmiede ankam, stand Achim einfach nur da, erstaunt. Obwohl er den Ruf hatte, mürrisch zu sein, war Meister Giltbert eine Legende, und nicht nur in dieser Stadt, sondern auch in der nächsten und der nächsten und … Er war auch der Einzige, der noch da war. Vor einiger Zeit war der Wettbewerb zwischen mehreren Schmieden in- und außerhalb der Stadt sehr hoch, aber nun war es vorbei. Meister Giltbert war der beste, ein für alle Mal. Er hatte einen großen und beständigen Kundenkreis für sich allein und kümmerte sich gut um ihn. Er war ein Perfektionist und das konnte man an jedem einzelnen Stück sehen, das er anfertigte. Deswegen war Achim so froh, dass er die Chance hatte, persönlich von ihm zu lernen. Als er den Blick vom Banner nahm, sah Achim endlich seinen Meister, wie er in seiner Schmiede arbeitete. Er erhitzte ein Stück Eisen nah an der Glut. Achim ging auf ihn zu, ausgelassen wegen seines ersten Tages. Endlich passierte es!

 

Giltbert sah auf und seufzte: „Ich nehme an, du bist Roberts Sohn … Wie war gleich noch mal dein Name?“

– „Ja, das bin ich!“ antwortete Achim ein wenig zu schnell.

 

Giltbert verzog die Augenbrauen und schaute ein wenig irritiert, als er sich vor seinen Lehrling stellte.

– „Hast du … dich für diesen Anlass gebadet? Du siehst so sauber und ordentlich aus“, fragte Giltbert.

– „Natürlich, ja! Das habe ich. Es ist ein wichtiger Tag für mich!“ sagte Achim viel zu ungeduldig für Giltberts Geschmack.

– „Okay, okay … Könntest du dich ein wenig beruhigen?“

– „Ja, natürlich. Alles, was ihr wollt, Meister.“

– „Weißt du irgendetwas über das Handwerk, die Schmiede oder die Rohstoffe, die wir nutzen?“

– „Überhaupt nichts!“ sagte Achim mit einem strahlenden Lächeln und erhobenen Hauptes, als wäre er auf seine komplette Unkenntnis auch noch stolz.

– „Nun ja, dann sollten wir wohl hier ansetzen. Wir haben wohl einen langen Weg vor uns …“ antwortete Giltbert ein wenig frustriert aufgrund der unerwarteten Situation. Er war nun für diesen Jungen verantwortlich und welch ein „interessantes“ Experiment das wohl sein würde. Sein Freund Robert, Achims Vater, war ihm was schuldig. Aber wirklich!

 

Giltbert und Achim begannen mit den Grundlagen: den Rohstoffen. Es gab Eisen, Stahl, Metall, Kohle (für den Glutofen), Silber und noch ein paar andere. Sie mussten zur Mine, zum Steinbruch oder der Holzfällerhütte gehen, um alle zu bekommen. Sie konnten auch zum Markt gehen, aber dort war es teurer. Aber Meister Giltbert bevorzugte sowieso gefährliche Expeditionen zur Mine oder der Holzfällerhütte … „Nun ja“, sagte Achim zu sich. „Es ist einfach von Anfang an ein gefährlicher Beruf!“ Der junge Mann war zu allem bereit, solange er von dem besten Meister lernen konnte. Und er war unheimlich aufgeregt, als Giltbert ihn beauftragte, das beste Metall zu besorgen, das er in der nahe liegenden Mine finden konnte. Meister Giltbert war sich sicher, dass Achim dazu mindestens einen Tag brauchen würde. Zumindest würde er ein wenig Ruhe und Frieden haben, für eine Weile … Unterrichten war viel anstrengender, als er zunächst gedacht hatte. Aber als Achim die Schmiede verließ, nur um ein paar Stunden später wiederzukommen, betrachtete der Meister ihn und konnte seinen Augen kaum trauen: Der Junge hatte tatsächlich das getan, was er sollte. „Danke, Achim!“, sagte Giltbert bewundernd und gleichzeitig genervt. „Das ist sehr gutes Metall. Das wird ein schönes Stück, an dem wir morgen arbeiten werden.“

– „Wirklich!?“ entgegnete Achim über das ganze Gesicht lächelnd. „Gefällt es Euch, Sir!?“

– „Ja, das tut es. Das hast du gut gemacht.“

 

Danach grinste Achim noch mehr und seine Freude ging Giltbert noch mehr auf die Nerven. Also fühlte sich der Meister dazu genötigt, sein Lob ein wenig zu zügeln, damit er dem lebensfrohen Charakter seines Lehrlings möglichst entgegenwirken konnte.

 

Am nächsten Morgen war Achim schon mit dem ersten Sonnenstrahl an der Schmiede. Meister Giltbert hatte es noch nicht einmal geschafft, sich fertig anzuziehen.

„Hallo, Meister!“, sagte Achim grinsend und erhobenen Hauptes.

– „Du bist früh dran“, sagte Giltbert und konnte seine Ungeduld im Angesicht von solchem Übereifer gerade so zurückhalten.

– „Natürlich bin ich früh da! Es gibt keine Zeit zu verschwenden! Also? … Was machen wir heute?“

– „Bevor wir mit irgendetwas beginnen, beruhigen wir uns erst einmal“, antwortete Giltbert ein wenig mürrisch. „Ich bin nicht mal sicher, ob ich überhaupt schon wach bin.“

– „In Ordnung“, sagte Achim immer noch strahlend. „Ich werde mich beruhigen.“

 

Aber im Grunde war es für alle klar, dass er das nicht tun würde; dass er es einfach nicht konnte. Der arme Kerl war so aufgeregt und für Giltbert war das ein merkwürdiger Anblick. Er war damals nicht so aufgeregt, als er seinen Betrieb öffnete. Natürlich fühlte sich Achims Begeisterung darüber, dass Giltbert sein Mentor war, auch befriedigend an. Aber sie hatten so viel Arbeit vor sich und das war nun wirklich nicht so spannend. Was für ein seltsames Kind …

Aber jetzt war es Zeit, Achim zu unterrichten. Also führte Giltbert ihn erneut in der Schmiede herum. Giltbert fragte Achim, was das für Werkzeuge und verschiedene Objekte seien, die um ihn herum waren. Der Junge erinnerte sich an alles, er war wie ein Schwamm. Er nahm einfach alles auf. Also entschied sich der Meister, Achim zu zeigen, was er mit dem Metallstück machen würde, das Achim am Tag zuvor aus der Mine gebracht hatte. Er erklärte Achim die Aufträge, die er von den Kunden erhalten hatte (Schilde, Wämser, Plattenrüstungen), den Abgabetermin jedes Teils, wie es funktionierte und so weiter. Er hatte Kundschaft aus dem gemeinen Volk, aber auch aus der Adelsschicht, da es ein Schloss in der Stadt gab.

 

Achim hörte genau zu und beobachtete jede Bewegung und die Techniken seines Meisters. Am Nachmittag war es Zeit, sich wieder die verschiedenen Schritte der Schmiedekunst anzusehen. Meister Giltbert wollte, dass Achim sie am Ende der Woche auswendig konnte. Zumindest bildlich. Also begann er mit den Schritten. Zuerst das mehrmalige Erhitzen des Eisenstücks im Glutofen, bis es formbar wird. Achim sah, wie das Stück seine Farbe änderte, von einem hellen Rot zu Orange, dann Gelb und schließlich Weiß. Danach musste es mit dem Hammer bearbeitet werden, bis man es auf hoher Temperatur leicht schweißen und gestalten konnte, zu der Form des Stücks, das es dann werden sollte. Manchmal musste man es noch einmal erhitzen, wenn man es mit einem anderen Stück verschweißt hatte, und dabei musste der Meister sehr vorsichtig sein und alles genauestens im Auge behalten. Jedes Mal, wenn er es aus dem Feuer nahm, um die Farbe zu inspizieren, wurde das Stück der Luft ausgesetzt und es bestand Gefahr, dass es oxidierte. „Du musst dabei vorsichtig sein. Siehst du? Die Farbe kann sich schnell wieder ändern, wenn ich es nicht zurück in die Flammen halte.“

– „Ja, ich verstehe. Das ist wunderschön!“

– „Irgendwann wirst du das auch können, Junge.“

– „Das hoffe ich!“ Ich weiß es! Ich werde Euch stolz machen, Meister!“

– „Beruhig dich, Achim. Ein Schritt nach dem anderen.“

 

Meister Giltbert war immer noch ein wenig verwundert. In so jungem Alter war sich Achim schon so sicher, dass er Schmied werden wollte.

 

Dann mussten sie das Werkstück mit der richtigen Methode vollenden, das war sehr wichtig. Ein guter und erfahrener Schmied wusste, wie dem Produkt je nach Metall und Anwendungszweck der letzte Schliff verliehen werden konnte. Meister Giltbert erklärte dem staunenden Achim alles sorgfältig. Färben, bläuen, brünieren, ölen, wachsen und so weiter. Als der Meister mit den Erläuterungen für seinen jungen Lehrling fertig war, war die Sonne bereits untergegangen und es war Zeit für den Feierabend. Giltbert sah Achim an, der noch immer tatkräftig erschien, und sagte: „Du kannst jetzt heimgehen. Wir machen morgen weiter.“

– „Seid Ihr sicher, Meister? Ich kann noch etwas länger bleiben, wenn Ihr möchtet.“

– „Nein, das ist alles für heute. Du musst nach Hause gehen.“

– „Das ist alles so interessant. Ich könnte über Nacht hierbleiben, um noch schneller zu lernen.“

– „Nein, könntest du nicht. Das ist nicht nötig. Wir haben jede Menge Zeit. Jetzt möchte ich mein Abendessen zu mir nehmen und Zeit mit meiner Frau verbringen. Geh einfach!“

 

Und so kehrte der arme kleine Achim enttäuscht heim. Er hätte so gern noch eine Stunde länger gelernt. Oder vielleicht auch zwei. Giltbert ging seinerseits nach Hause und machte sich keine Gedanken darum, dass er den Jungen enttäuscht haben könnte. Der nächste Tag würde sowieso früh genug kommen.

 

Doch dann hatte Achim plötzlich eine Idee. Sein Tag war noch nicht vorbei, das wollte er nicht. Zusammen mit einem Freund ging er zu der am weitesten entfernten Mine der Stadt. Sie sammelten so viel Eisen und Stahl, wie sie tragen konnten, und begaben sich dann so schnell wie möglich auf den Heimweg. Dort gab Achim seinem Freund ein paar Münzen für die Hilfe und brach mit seiner Beute auf.

Zurück an der Schmiede klopfte er an Meister Giltberts Tür. Doch es kam keine Antwort. Das war seltsam, denn der Meister hatte doch gesagt, dass er den Abend daheim mit seiner Frau verbringen würde. Achim klopfte noch einmal. Noch immer regte sich nichts. Er beschloss, um das Haus herumzugehen, nur um sicherzustellen, dass niemand zu Hause war. Er wollte schließlich nicht umsonst in die Mine gegangen sein!

Als er an einem Fenster vorbeikam, hörte er plötzlich ein leises Geräusch, wie ein Quieken. Ein merkwürdiges Geräusch … Also warf Achim einen unschuldigen Blick ins Innere des Hauses und drückte sein Gesicht an das Fenster, unwissend, dass es sich bei diesem Raum um Giltberts Schlafzimmer handelte.

„AAAAAAAAHHHHH!!!!!“, schrie die Frau des Meisters.

– „Was ist los?!“, fragte Giltbert halb nackt in seinem Schlafzimmer.

– „Jemand beobachtet uns durch das Fenster!“

– „Was?!“

– „Ich schwöre es! Da hat ein Kind direkt durch das Fenster gestarrt!“

 

Achim schrie leise auf und wollte gerade davonrennen. Doch es war zu spät, der Meister hatte ihn bereits gesehen. Er rannte Achim nun hinterher, in einer Hand seine Hose, in der anderen etwas, das wie eine Keule aussah!

„Achim, du kleiner Schwachkopf! Bleib jetzt stehen und komm hierher, wenn du nicht willst, dass ich dich zu Dünger verarbeite!“

 

Außer Atem hielt Achim schließlich an und sah seinen Meister peinlich berührt an.

„Was zur Hölle hast du an meinem Haus zu suchen? Ich habe dir gesagt, dass Feierabend ist!“

– „Es tut mir so leid, Meister Giltbert. Ich hatte eine Überraschung für Euch und konnte einfach nicht bis morgen abwarten, um sie …“

– „Aber ich hatte dir gesagt, dass du heimgehen sollst!“

– „Es tut mir leid. Ich wollte Euch nicht … stören.“

– „Du kleiner Narr“, sagte Giltbert und beruhigte sich beim Anblick des bekümmerten Gesichts seines Lehrlings langsam wieder. „Schon gut. Geh nach Hause und komm vor morgen nicht wieder. Das ist alles.“ Achim sah ihn voller Erleichterung an und rannte dann in Richtung seines Hauses.

 

Giltbert sah ihm noch lange nach, nachdem er um die Ecke verschwunden war. Plötzlich fing er an, lauthals zu lachen. Er hielt noch immer seine Hose in der einen Hand und die Keule in der anderen, während er darüber lachte, was gerade passiert war. Wie lange war es her, dass Giltbert so herzlich gelacht hatte? Er konnte sich nicht einmal erinnern. Und es fühlte sich gut an. Wirklich gut.

 

Während er immer noch in Achims Richtung blickte, stellte Giltbert überrascht fest, dass er sich auf die Rückkehr seines jungen Lehrlings freute. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, sich wieder wie ein Kind zu fühlen. Vielleicht konnte Achim seinem Meister genau das beibringen. Vielleicht konnte auch er noch etwas lernen, über das Lächeln und das Glücklichsein. Es war schon so lange her …